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Staatliche Kommunikationsüberwachung – und die Gegenwehr

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von Hadmut Danisch

Ach, guck an. Update:

Ich hab’s ja nun oft und ausführlich beschrieben: Ich habe mich Mitte der neunziger Jahre bis zum Knall 1998 mit staatlicher Kommunikationsüberwachung, Key Escrow, Clipper Chip und Gegenmaßnahmen beschäftigt. 1997 war ich – was vermutlich die Ursache allen Übels war – an der Bundestagsanhörung zum damals geplanten Verbot starker Kryptographie als Assistent und Ghostwriter eines geladenen Professors beteiligt. Schon damals war auffällig, dass deutsche Politiker da amerikanischen Wünschen folgten, ohne selbst verstanden zu haben, worum es eigentlich ging. Verblüffend: Schon damals fuhr im Windschatten eines Kryptoverbotes das Unterfangen mit, Kinderpornographie sperren zu lassen.

Danach habe ich aus zwei oder drei Gründen nicht mehr daran geforscht. Ein Grund war, dass das Thema erst mal vom Tisch war. Offiziell hatte man das Thema aufgegeben, Forschung in diesem Bereich im Wert abgestürzt wie eine kaputte Aktie. Auf einmal war starke Kryptographie für alle verfügbar und das Ziel des Verbots anscheinend aufgegeben. Wie wir heute wissen (und damals schon vermuteten), hat man nur die Taktik geändert, nämlich die Endgeräte statt der Kryptographie und der Protokolle anzugreifen. Der zweite Grund war, dass ich nicht mehr an der Uni, sondern in der Industrie war, und da interessierte das erst mal niemanden mehr. Der dritte Grund war, dass ich keine Zeit mehr hatte, um das auch noch nebenher zu machen.

Seltsamerweise wiederholte sich der Zirkus zehn Jahre später noch einmal. Ursula von der Leyen kam mit ihrer Pornosperre daher, und wieder wurde brachial abgesägt, wer nicht mitspielte. Und wieder führten alle Spuren in die USA, und wieder hatten die hiesigen Politiker nicht verstanden, was sie da machten.

Inzwischen nun geht die Meldung herum, David Cameron wolle, wenn er die Wahl in Großbritannien gewinnt, umgehend ein Verbot der End-zu-End-Verschlüsselung durchsetzen. Siehe etwa hier und hier. Und darin steht auch, er wolle die USA überzeugen. (Komisch. Ich wusste gar nicht, dass man die davon noch überzeugen müsste.)

Die Situation ist heute eine andere als in den neunziger Jahren.

Sie ist eine andere in technischer Hinsicht. Wir haben heute viel komplexere Software, die man nicht mehr als Source bezieht, und oft (Cloud-Computing usw.) nicht mehr lokal unter eigener Kontrolle rechnen lässt. Wir schleppen Handys mit uns herum, und während damals nur manche Haushalte Computer hatten, hat heute jedes Haushaltsmitglied manche Computer.

Sie ist eine andere in gesellschaftlicher Hinsicht. In den Neunzigern war Internet was für Nerds, außerhalb der Universitäten noch kaum zu haben, hatte noch Konkurrenz von diversen Forenrechnern, in die man sich einzeln per Modem eingewählt hat. ISDN war der neueste Schrei. Heute hat jeder Internet. Selbst Schüler der unteren Schulklassen rennen mit Smartphone herum. Tablets gibt’s ab 50 Euro. Alles läuft heute über Internet. Kurz: Wer abhört, hört heute mehr.

Und die Bedrohungslage ist eine andere. In den Neunzigern hatten wir gerade so eine Friedensphase. Der Ostblock war zerbröselt und orientierte sich neu, der Islamismus war noch nicht so drauf, man konnte noch überall hin reisen, und so weiter. Heute haben wir – ob nun echt oder nur politisch ausgeschlachtet, ist vom Ergebnis eigentlich egal – eine enorme Bedrohungssituation, Terror, Krieg, Ideologie. Da bekommt man das argumentativ viel leichter durch.

Und wir haben eine Bevölkerung, der mittlerweile nahezu alles egal ist. Es gab eine Zeit, in der man wegen einer verfänglichen Frage bei der Volkszählung den großen Aufstand geprobt hat. Heute stört sich kaum jemand an den Abhörskandalen. Und wer interessiert sich schon noch für Datenschutz, wenn man’s doch in der Cloud für umme bekommt? Ist doch bequem, wenn sich die Rechner alle synchronisieren und wir passende Werbung bekommen.

Wir haben auch eine ganz andere Forschungslandschaft. In den Neunzigern gab’s an den Universitäten noch ein paar unabhängige Idealisten, die sich nichts sagen liegen. Heute ist alles dumm, dumpf, korrupt, gefügig, politisch korrekt. Die meisten Fakultäten wären heute nicht nur zu blöd, das Problem technisch zu analysieren, sondern auch charakterlich-politisch nicht mehr in der Lage, sich damit kritisch zu befassen. Zudem sind sie alle erpressbar. Wer nicht spurt, dem wird heute der Geldhahn zugedreht. Von C4 nach W3 hat auch erpressbar gemacht.

Das würde heute also ganz anders laufen als in den Neunzigern.

Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das wieder aufgeworfen wird. Lasst Cameron das noch ein paarmal erzählen, und dann kommen ganz sicher wieder deutsche Politiker um die Ecke, die sich damit vor Kameras profilieren wollen.

Ich habe mich seit 1998 zwar mit den ganzen Uni-Streitigkeiten herumgeschlagen, aber mich in der Zeit vor allem mit dem alten Wissen bis 1998 befasst. Irgendwie habe ich das Gefühl, es wird wieder Zeit, die alten Notizen und Unterlagen herauszukramen. Ich habe ja fast alles aufgehoben, auch wenn vieles davon schon anfängt, zu vergilben. Irgendwie komme ich mir dabei so ein bisschen vor wie jemand, der eine seit langer Zeit nicht mehr verwendete Sportausrüstung aus dem Keller holt, sie entstaubt, das trockene Leder fettet. Oder wie jemand, der seine in grauer Vorzeit weggepackten Waffen wieder rausholt und probiert, ob er sie noch bewegen kann. Oder wie der alte Ben Kenobi, der die Truhe mit dem alten Lichtsäbel hervorkramt, als plötzlich so ein Schnösel mit zwei alten Robotern vorbeikommt und nach Obi Wan fragt.

Gut möglich, dass ich dieses oder nächstes Jahr wieder mehr technische Themen im Blog habe.

Update: So eine Überraschung aber auch: Obama unterstützt Cameron gegen Verschlüsselung.


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